Wer alte Obstsorten pflegt, welche er in zweiter oder dritter Generation übernommen hat, sollte über den Wuchs des Baumes, seiner Pflege und den Schnittmaßnahmen und genetischen Eigenschaften informiert sein, denn jedes Gehölz wächst zunächst einmal nach dessen arttypischen Eigenschaften. Die fortlaufende Zellteilung bestimmt das Wachstum Eines Baumes. Der Mensch macht sich durch Veredelung auf bestimmte wuchsinduzierte Obstunterlagen unterschiedliche Eigenschaften zu nutze.
Baumobstarten werden sortenecht auf speziellen, den so genannten Wildlingen vermehrt. Die früher meist verwendeten Unterlagen wachsen mittel bis stark, was von manchem Gartenfreund manchmal auch als zu stark wachsend angesehen wird. Ideal für uns sind großkronige Formen (Rundkrone auf Halbstämmen) die uns an heißen Tagen auch als wertvoller Schatten-Spender dienen. Wer eine Neupflanzung vornehmen möchte, sollte unbedingt darauf achten, dass er die Wuchskraft und Eigenschaften der Unterlage berücksichtigt.
Den richtigen Pflanzplatz für einen Baum ist in unseren Kleingärten leicht zu finden. Der Pflanzplan unserer Anlage berücksichtigt Licht und Luftbewegung, die bei Obstbäumen nicht fehlen dürfen. Weiterhin sind Binnenklima, Lage und optimaler Standort planerisch berücksichtigt worden. Unser Fachberater gibt gerne Auskunft und Hilfestellung die richtigen Pflanzabstände einzuhalten.
Zur besten Pflanzzeit im Herbst werden die Ausmaße der Pflanzgrube so bemessen, dass das Wurzelwerk locker Platz findet. Idealer Weise pflanzt man einen Baum zu zweit. Während Einer darauf achtet das der Wurzelhals einige Zentimeter über dem Erdboden liegt und der Stamm senkrecht steht (eine Latte quer über die Pflanzgrube gelegt gibt das richtige Maß vor) verfüllt der Andere alle Hohlräume zwischen den Wurzel mit lockerer Erde auf. Die Veredlungsstelle über dem Wurzelhals muss unbedingt frei liegen, da anderenfalls der Baum ein zu hohes Holzwachstum bildet und jahrelange Unfruchtbarkeit die Folge ist! Anschließend wird das Pflanzloch mit 20-igfach verdünnter Brennesseljauche, sowie Rainfran- und Schachtelhalmbrühe tief eingeschlemmt. Abschließend wird die entstandene Gußkehle mit Kompost aufgefüllt und mit einer reichlich bemessenen Mulchschicht abgedeckt um die Pflanzscheibe zu düngen, sowie gegen Austrocknung und tiefen Frost zu schützen.
Zur Förderung ihres Wachstums und ihrer Verzweigung werden die Leitäste sowie die Stammverlängerung jährlich um ein bis zwei Drittel zurückgeschnitten. Bei starktriebigen Jungbäumen wird etwas weniger, bei schwachtriebigen stärker zurückgeschnitten. Bei ausgebliebenem Neutrieb schneidet man sogar bis ins vorjährige Holz zurück. Der Rückschnitt der Leitäste erfolgt jeweils auf außen, also unten stehende Knospen („Augen“). Gleichzeitig werden die auf der Oberseite der Triebe befindlichen Knospen grundsätzlich entfernt, um oberseitige, ins Kroneninnere zurückwachsende Austriebe von vornherein zu vermeiden und statt dessen mehr nach außen wachsende Triebe an den Leitästen hervor zu rufen.
Obstbäume sind langlebige Gehölze, die bei guter Pflege ein Ertrags- und Lebensalter von fünfzig bis einhundert Jahren erreichen. Im Vordergrund steht in den ersten Jahren nicht der Fruchtertrag, sondern der Aufbau des Kronengerüsts. Die Ertragsphase beginnt in der Regel ab dem 7. bis 12. Standjahr und hat ihren Höhepunkt oft erst im Alter von 30 bis 50 Jahren! Einen vorzeitigen Fruchtansatzes, z.B. durch Waagrechtbinden von jungen Trieben gleich in den ersten Jahren nach der Pflanzung, machen wir uns bei niedrigen Baumformen zu nutze.
Vor dem Eintreten der ersten Winterfröste pflegen und schützen wir die Stämme unserer Obstbäume durch einen Kalk/Lehmanstrich, denn der Frost reißt oft tiefe Wunden in die Stämme. Krasse Temperaturschwankungen an milden sonnigen Tagen und tiefe Fröste in der Nacht haben zur Folge, dass sich die Zellen an der Südseite der Stämme durch die Sonnenwärme ausdehnen. Wenn die Fröste plötzlich zu schnell und heftig einsetzen ziehen sich die Zellen derart schnell zusammen, dass diese Spannungen tiefe Spalten und Risse in der Rinde hinterlassen.
Als Vorbereitung zum schützenden Anstrich bürsten wir die Baumstämme mit Hilfe einer kräftigen Bürste mit Schachtelhalmbrühe ab. Danach tragen wir den Kalk/Lehmanstrich auf. Den Schutzanstrich bereiten wir aus drei Teilen, Kalk, Kreide und Lehm zu. Zunächst pudern wir dazu den Kalk und die Kreide in gleiche Teile Schachtelhalmbrühe und Brandweinessig. Mit Lehm und Wasser stellen wir dann beim verrühren die richtige streichfähige Konsistenz ein. Der weiße Farbton des Anstrichs reflektiert dann das Sonnenlicht und lässt die Rinde auf diese Weise nicht mehr so schnell in der Sonne aufheizen. Gleichzeitig ernährt und pflegt dieser die Rinde und kann an frostfreien Tagen zugleich Wundbehandlung sein.
Es ist Praxis neben der Pflege zu jeder Jahreszeit bestimmte Schnittmaßnahmen bei Obstbäumen mit dem Ziel durchzuführen einen hohen und anhaltenden Ernteertrag zu erzielen. Die Gestaltung der Form des Baumes ist dabei zweitrangig. Da Obstspaliere in unseren Gärten fast ausgestorben sind, weil deren spezielle und unerlässliche Formgebung und Fruchtholzbildung sehr arbeitsaufwendig ist, soll an dieser Stelle auf deren Schnitt und Pflege nicht weiter eingegangen werden. Bei Neuanpflanzungen sind Spindelbüsche i.d.R. die bessere Wahl, weil deren Schnittmaßnahmen relativ gering sind und meist auch ohne Leiter möglich sind. Außerdem fruchten diese auch eher.
Bei Buschbäumen oder Halbstämmen mit Gerüstaufbau erhält der Obstbaum bereits ab dem Jugendstadium durch den Pflanz-, Erziehungs- und Erhaltungsschnitt, dass aus der Stammverlängerung mit dem Mitteltrieb, den Seitenästen, den Zweigen und Fruchtruten besteht. Eine Ausnahme bilden die heute von uns vermehrt gepflanzten Spindelbüsche, die kein Astgerüst erhalten, da bei ihnen die fruchttragenden Triebe direkt dem Mitteltrieb entspringen.
Der Belichtungsschnitt zur Qualitätsverbesserung beim Kernobst wird ab August vor der Ernte durchgeführt. Die Schnittmaßnahmen beim Steinobst erfolgen nach oder während der Ernte. Für stärkere Korrekturmaßnahmen, die mit der Säge durchgeführt werden müssen, kommt die vegetationslose Zeit an frostfreien Tagen in den Monaten Dezember und Januar in Frage. Um zu vermeiden, dass die Rinde beim absägen einreißt, sägen wir den Ast zunächst von unten vor. Sämtliche Sägewunden schneiden wir anschließend mit einem scharfen Messer nach, damit die Ränder glatt sind und gut verheilen können.
Unmittelbar nach den einzelnen Sägemaßnahmen verschließen wir die Wunde grundsätzlich mit einem Wundverschlußmittel. Wunden, die nicht größer als ein 2 Euro-Stück sind, werden ganzflächig verschlossen. Bei größeren Wunden aber nur der Rand, da der Holzteil in der Mitte besser frei bleibt, damit eingedrungene Feuchtigkeit rasch entweichen kann, so dass Pilzsporen und Feuchtigkeit keine Chance haben das Holzgewebe zu zersetzen.
Alle diese Schnittmaßnahmen dienen dazu ein ausgeglichenes Triebwachstum zu erhalten bei dem die Bildung neuer Triebe, die Anlage von Blütenknospen und der Fruchtbehang gleichermaßen gefördert werden. Wenn dies erreicht wird spricht man von einem physiologischen Gleichgewicht.
Den richtigen Termin für den Sommerschnitt gibt die Natur selbst vor. Von Anfang Mai bis Anfang Juni wird das Längenwachstum der Triebe gefördert. Ab Mitte Juni verlangsamt es sich und wird durch das anschließende Dickenwachstum abgelöst. Nach dem Abklingen der ersten Wachstumsphase um Johanni (24. Juni) ist der geeignete Schnittzeitpunkt. Jetzt hat der Obstbaum seine größte Blattmasse gebildet, die auf Grund der hohen Assimilationsrate für eine enorme Wuchskraft sorgt. Mit dem Sommerschnitt soll die Bildung von Blütenknospen gefördert werden und unerwünschte Neutriebe entfernt werden, so dass der Baum seine Nährstoffvorräte optimal zur Fruchtreifung ausnützt.
Haben sich im oberen Kronenbereich vermehrt senkrecht stehende Neutriebe, die so genannten Wasserschosse gebildet, müssen diese möglichst schon bei einer Länge von 20-30cm ausgerissen werden, da so auch die schlafenden Augen entfernt werden und Risswunden sowieso besser verheilen als Schnitte. Konkurrenztriebe, die zu dicht und steil stehen oder nach innen wachsen, die sich kreuzen und andere Triebe beschädigen werden ebenfalls entfernt. Kranke Äste oder von Mehltau befallene Triebspitzen (weißer Pudriger Belag, leicht eingerollte, silbergraue Blätter) werden jetzt ebenfalls abgetrennt.
Weil nur sonnengereifte Früchte süß und besonders schmackhaft sind werden durch den sogenannten Auslichtungsschnitt die Äste entfernt, welche andere überwiegend beschatten. Zuletzt formieren wir zu steil stehende Triebe in die waagerecht, denn nur waagerechte Triebe bilden Blütenknospen aus. Wer zu lange Ruten einkürzen möchte, sollte dies auf die Seitentriebe ableiten oder auf Blütenknospen begrenzen.
Eine wichtige Regel lautet: Fruchtholz, d.h. Fruchtsprosse, Fruchtspieße und Fruchtruten, dürfen niemals geschnitten werden !
Der Winterschnitt an frostfreien Tagen von Dezember bis Januar regt besonders vergreiste Bäume zum Neutrieb an. Zunächst entfernen wir alles Holz was krank, beschädigt oder abgestorben ist. Auch vor einer geplanten Umveredlung des Baumes ist ein Winterschnitt ratsam. Im Frühjahr erscheinen dann zahlreiche Neutriebe. Diese Wasserschosse müssen dann im Sommerschnitt regelmäßig ausgeschnitten werden. Ein ausgewachsener Baum, der regelmäßig gut trägt, sollte deshalb nur im Sommer geschnitten werden, da er so seine Ertragsfähigkeit ausreichend erhält. Auch sollten im Kroneninneneren nicht alle Neutriebe gekappt werden, denn aus ihnen entwickeln sich im Verlauf der Jahre Fruchtäste. Deshalb wählen wir einen oder wenige aus, welche wir nicht zurückschneiden. Diese sollen in ein paar Jahren den Baum verjüngen und Früchte hervorbringen. Mit dem einsetzenden Fruchtansatz senken sich die Äste und tragen so zur Lockerung der Krone bei.